Isaac von Sinclair

Freund Hölderlins, Diplomat, Schriftsteller,
* 3. 10. 1775 Homburg vor der Höhe,
† 29. 4. 1815 Wien[...] (reformiert)

S. wurde mit den jüngeren Kindern seines Paten, des Friedrich V. Ludwig von Hessen-Homburg (1748–1820), erzogen und studierte 1792/93 Jura in Tübingen, 1794/95 Philosophie in Jena, beides ohne einen (noch nicht üblichen) Abschluss zu erhalten. In Jena hörte er begeistert die Vorlesungen Fichtes und war befreundet mit Mitgliedern der »Gesellschaft der freien Männer«, zugleich aber ein führender Kopf des »Harmonistenordens«, den er vergeblich für die Ideale der Franz. Revolution zu instrumentalisieren versuchte.

In Jena entstand eine leidenschaftliche Verbindung zu Friedrich Hölderlin (1770–1843), den S. bewunderte. Beide pflegten ihre Freundschaft nach S.s Eintritt in die homburg. Regierung (1798 Reg.rat, 1798/99 Teilnahme am Rastatter Kongreß) und Hölderlins Annahme einer (von S. vermittelten) Hofmeisterstelle im Haus Jacob Gontards (1764–1843) in Frankfurt/M. 1796 in ausgedehnten gegenseitigen Besuchen und intensiven philosophischen Gesprächen. Als Hölderlins Dienstverhältnis durch seine Liebe zur Frau des Hauses, Susette Gontard (1769–1802), unhaltbar geworden war, besorgte S. ihm 1798–1800 und nochmals 1804–06 Quartier in Homburg. S. betreute den Dichter, allerdings ohne sich dessen psychische Erkrankung einzugestehen. 1804 entwickelte S. eine homoerotische Liebe zu einem Betrüger, der sich Alexander v. Blankenstein nannte und dem verschuldeten Landgrafen eine Lotterie zur Behebung der Not empfahl. Als S. den Betrugsversuch erkannte, beschuldigte ihn Blankenstein, S. habe Kf. Friedrich II. von Württemberg töten wollen. S. kam daraufhin für fünf Monate in Untersuchungshaft, bis die Vorwürfe entkräftet waren. Danach ging er als Privatmann nach Berlin. Als Hessen-Homburg 1806 mediatisiert wurde, verlor S. seine politischen Ämter und fuhr fort, als Schriftsteller und Publizist zu arbeiten, aber wenig erfolgreich. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seines philosophischen Hauptwerks »Wahrheit und Gewißheit« (3 Bde., 1811/13) trat er erneut in Kontakt zu seinem Studienfreund Hegel. Die Verbindung zu Hölderlin brach S. 1806 ab und veranlasste dessen Überführung in seine Heimatstadt. Als erster hatte S. die Idee einer Sammlung von Hölderlins Werken.

S. zog 1814, inzwischen längst ein adelsstolzer Konservativer, als Hauptmann in österr. Diensten gegen Napoleon. Als Vertreter Homburgs auf dem Wiener Kongreß arbeitete er 1815 wesentlich an der Wiederherstellung der Souveränität seines Landes mit, ehe er einem Schlaganfall erlag. Hölderlin widmete seiner Freundschaft zu S. das Gedicht »An Eduard« (1800) und gab der Figur des »Alabanda« im »Hyperion« (1797–99) Züge S.s. Als »St. Clair« beschrieb ihn Bettina v. Arnim in ihrem Briefroman »Die Günderode« (1840). S.s Dramentrilogie »Das Ende«, »Der Anfang« und »Der Gipfel des Cevennenkrieges« (1806/07) regte Ludwig Tieck zu seiner Novelle »Der Aufruhr in den Cevennen« (1826) an.

Werke von oder mit Isaac von Sinclair:


reihe

Umschlagfoto

Isaac von Sinclair: Wahrheit und Gewissheit

Erster Band: Berlin 1811.

Herausgegeben von Christoph Binkelmann.
Bibliothek 1800 Band 1
2015
XXXII, 282 S.
Leinen
ISBN 978-3-7728-2521-7
Lieferbar
€ 136,–
eISBN 978-3-7728-3027-3
€ 136,–
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