Johann Adam Scherzer
(lat. Scherzerus), lutherischer Theolog des 17. Jahrhunderts,
* am 1. August 1628 zu Eger in Böhmen,
† am 23. December 1683 zu Leipzig.
Sein Vater lebte als Advocat in Eger, wurde aber 1629 als Protestant aus Böhmen Vertrieben und flüchtete nach Franken. Der Sohn studirte 1648 ff. zuerst in Altorf, später in Jena und Leipzig erst Philosophie und Naturwissenschaften, dann Medicin (er soll der Erfinder eines nach ihm benannten Schertzer’schen Balsams sein), zuletzt Theologie, in welcher Musäus und Cundisius in Jena, Hülsemann und J. B. Carpzow in Leipzig seine hauptsächlichsten Lehrer waren. Er selbst docirte in Leipzig zuerst Logik und Philosophie (für welche er ein Lehrbuch unter dem Titel: »Vademecum s. Manuale philosophicum«, Leipzig 1654 herausgab), dann seit 1658 hebräische Sprache, zuletzt Theologie, wurde 1666 Dr. theol., 1667 Professor, Assessor des Consistoriums, Kanonikus von Meißen, Dompropst zu Bautzen, zuletzt 1670 professor primarius, bekleidete sechsmal das Decanat der theologischen Facultät, dreimal das Rectorat der Universität, war dreimal verheirathet, hatte aber in seiner Familie viele Todesfälle und fing selbst frühe an zu kränkeln, woraus sich auch theilweise die Gereiztheit seiner Stimmung, die Bitterkeit seiner Polemik (»dicendi genus pipere et aceto conspersum«) erklären mag. Er war ein gelehrter Theolog, gründlicher Kenner der hebräischen Sprache, auch der rabbinischen Litteratur, insbesondere aber ein gewaltiger Disputator, ein scharfer Polemiker und orthodoxer Dogmatiker in der ganzen alten scholastischen Waffenrüstung, »der Leipziger Calov«, wie man ihn genannt hat, bei dem sich aber doch auch zuweilen ein leiser Herzschlag hinter dem Panzer vernehmen läßt, wenn er gesteht, »daß er mehr als einmal, wenn eines Besseren belehrt, sich selber refutirt habe«, oder wenn er die Verdienste reformirter Theologen bereitwillig anerkennt und die Mängel des damaligen theologischen Studiums offen beklagt, und wenn er, der sein Lebenlang mit der theologia, scholastica sich geschleppt, auf seinem langwierigen Krankenlager bekennt: »jetzt erst lerne er den Katechismus mehr verstehen, und jetzt erst studire er die theologia visionis.« (Vgl. Tholuck, Akad. Leben des 17. Jahrh. II, 92.)
Er schrieb zahlreiche Streitschriften gegen alle möglichen Gegner: gegen die Katholiken (z. B. »Antibellarminus« 1681, »Bibliotheca pontificia«, »Papatus vapulans«, gegen den Convertiten Johann Scheffler und Andere), gegen die Calvinisten (»Disputationes Anticalvinisticae«), gegen Sociniaer (»Collegium Antisocinianum«), gegen Synkretisten (»Theses Antisyncretisticae«), gegen den Juristen Pufendorf, gegen dessen Schrift De jure naturae et gentium S. 1673 im Namen der Leipziger Theologenfacultät Klage erhebt und ein Verbot von der kursächsischen Regierung erwirkt. Ein Theil seiner zahlreichen Programme, Disputationen und Reden hat er selbst in einer Gesammtausgabe vereinigt u. d. T. »Programmeta et disputationes academicae« 1679 8°, 1684 4°. Seine bedeutendsten Werke aber, durch welche er den Ruf eines der correctesten, aber auch dürrsten und steifsten lutherischen Scholastiker, des »mathematischen Schematisirers und Schöpfers der sog. definitiven Methode« in der Geschichte der lutherischen Dogmatik sich erworben hat, sind seine dogmatischen Lehrbücher: 1. sein »Breviarium theologiae Hulsemannianum enucleatum et auctum«; 2. »Breviculus theologicus unica positione systema theologicum exhibens« Leipzig 1675, 78, oft wiederholt und auch deutsch übersetzt, die gedrängteste Uebersicht der lutherischen Dogmatik, worin der Versuch gemacht wird, den gesammten Inhalt der lutherischen Glaubenslehre in einen einzigen, kunstvoll verschlungenen Satz zusammenzufassen, und 3. die weitere Ausführung dieses Schema’s in dem »Systema theologiae XXIX definitionibus absolutum«. Leipzig 1680, 82, 85, 87, 98, 1704, 11.
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