Wilhelm Schickard
Orientalist, Astronom, Geograph,
* 22.4.1592 Herrenberg (Württemberg),
† 23.10.1635 Tübingen
Früh an Astronomie interessiert, studierte S. in Tübingen 1610/11 an der phil. Fakultät, wo er in Michael Mästlin (1550–1631) einen hervorragenden astronomischen Lehrer fand, dann bis 1614 Theologie. 1614 wurde er Diakon in Nürtingen, wo ihn 1617 Johannes Kepler (1571–1630) besuchte, der S.s zeichnerische Fähigkeiten zur Illustration von Buch 4 – 7 seiner ›Epitome astronomiae Copernicanae‹ (1620/21) nutzte. 1619 verfaßte S. im Auftrag Hzg. Johann Friedrichs von Württemberg eine ›Cometen Beschreibung‹, eine für Laien bestimmte, auf aktuellem Forschungsstand beruhende dt.sprachige Abhandlung über Kometen, in deren 2. Teil die seit 1472 beobachteten Kometen einzeln behandelt werden (Hs. Württ. Landesbibl. Stuttgart).
1619 wurde er in Tübingen Professor für Hebräisch, hielt aber auch Privatvorlesungen über angewandte Mathematik. Nach Mästlins Tod wurde S. 1632 auch Professor für Astronomie. 1623 erschien sein lat. Lehrbuch des Hebräischen (Horologium Hebraeum, ca. 40 Aufll. u. Bearb. bis 1731), 1627 ein dt. Lehrbuch des Hebräischen mit dem Titel ›Hebraischer Trächter‹ (später ›Trichter‹, namengebend für Harsdörffers ›Nürnberger Trichter‹, drei Nachdrr. bis 1633). Eine Anleitung zum Erlernen des Sternhimmels (Astroscopium) mit zwei Sternkegeln (Nord- u. Südhalbkugel) erschien ebenfalls 1623 (81698). Das von dem Juristen Christoph Besold (1577–1638) angeregte, von Hugo Grotius (1583–1645) bewunderte ›Jus regium Hebraeorum‹ (1625, Neuausg. v. Benedikt Carpzow 1674) ist eine aus den Quellen erarbeitete Monographie über das Recht der jüd. Könige. Aus einer erbeuteten türk. Handschrift leitete er diverse orientalische Genealogien her (Tarich, 1628). Den Merkurdurchgang vom 7. 11. 1631 (neuen Stils), zu dessen Beobachtung Kepler öffentlich aufgefordert hatte, konnte S. wegen Bewölkung nicht sehen, verfaßte aber eine auf Pierre Gassendis Beobachtung basierende Auswertung (Pars responsi [...] de Mercurio sub Sole viso, 1632), die diesen veranlaßte, S. zahlreiche astronomische Beobachtungsdaten für seine Theorie der Merkurbahn zu überlassen. Durch geometrische Konstruktionen auf copernicanischer Grundlage verdeutlichte S. seinen Studenten (meist Theologen) die Planetenbewegungen (›picta mathesis‹). 1623 erfand S. die erste bekannte Rechenmaschine, eine sechsstellige Vierspeziesmaschine (beide Originale verloren, Nachhall durch Bruno v. Freytag Löringhoff, 1960). Ihr Multiplikationswerk bestand aus sechs senkrechten Zylindern mit dem kleinen Einmaleins, vermutlich in Neperscher Schreibweise, wobei die für den aktuellen Rechenschritt nicht benötigten Zahlen verdeckt waren. Die abgelesenen Teilprodukte wurden manuell in das aus elf Zahnrädern bestehende Addier- und Subtrahierwerk übertragen. Versuche mit einem Glasprisma führten S. 1623 nahe an das wahre Brechungsgesetz. Seit 1624 betrieb er eine geodätische Vermessung Württembergs von bis dahin unerreichter Genauigkeit. Sie blieb wie manches andere Fragment, als S. 1635 der Pest zum Opfer fiel.
Ein seit 1617 belegter Briefwechsel verband ihn mit Fachgenossen wie Kepler, Matthias Bernegger, Johannes Buxtorf sen. und jun., Daniel Mögling und Lgf. Philipp II. von Hessen in Butzbach, Grotius, Gassendi und dem allseitig interessierten Mäzen Nicolas-Claude de Peiresc (1580-1637). Sprachlich, mathematisch und künstlerisch begabt, urteilsfähig und kreativ, war S. bei seinen Zeitgenossen hoch angesehen. Er war von eher nüchternem Charakter, kein Anhänger der Astrologie, ohne Neigung und Begabung zu spekulativen Höhenflügen wie Kepler.
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