Allgemeine Zeitschrift für Philosophie: Heft 39.3/2014

Abhandlungen:

• Jörg Volbers: Deweys humanistische Dezentrierung des Subjekts
  Abstract

  Der Begriff der »Dezentrierung« bezeichnet im französischen Poststrukturalismus die Kritik an dem Postulat eines metaphysischen »Zentrums«, das die Entwicklung und die Logik der Diskurse – und damit des Denkens – beherrschen soll. Insbesondere die Anthropologie und der Humanismus standen in dem Verdacht, mit dem Verweis auf den Menschen als ein solches »Zentrum« die Vielfalt und Selbstdifferenz der diskursiven Praxis zu unterlaufen. Der Aufsatz stellt Deweys Philosophie als eine Alternative zu dieser Kritik vor. Auch Dewey ist skeptisch gegenüber essentialistischen Philosophien. Gleichwohl entwickelt er ein explizit humanistisches Weltbild, dessen wichtigste Werte Freiheit, Offenheit und Wachstum (»growth«) darstellen. Möglich wird dieser paradoxe Humanismus durch einen Naturbegriff, der die spezifisch menschlichen Fähigkeiten – wie Denken, Sprechen und Handeln – gerade dadurch »dezentriert«, indem sie als ein integraler Teil der Natur erläutert werden.
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• Mathias Obert: Leibliche Mimesis in der Kunsttheorie zwischen China und dem Abendland
  
  Abstract

  Aus einer phänomenologischen Perspektive wird gezeigt, wie in der künstlerischen Gestaltgebung das Zusammenspiel von Mimesis und Konstruktion bis in die Leiblichkeit zurückweist. Neben theoretischen Überlegungen zu Phänomen und Begriff »leiblicher Mimesis« werden die chinesische Schreibkunst und Malerei zu Rate gezogen, deren theoretische Durchdringung in der vormodernen chinesischen Überlieferung besonders aufschlussreich ist. Die so gewonnenen Einsichten werden sodann auf moderne künstlerische Verfahrensweisen und ihr Selbstverständnis bezogen. So ergibt sich in Abhebung von einem gängigen Verständnis von Mimesis im Hinblick auf Gestaltähnlichkeit folgendes Fazit: Der mimetischen Gestaltgebung geht eine mimetische »Einleibung« und Wandlung des künstlerisch Arbeitenden voraus. Er formt durch den eigenen Leibzustand und die Vollzugsmodi leiblicher Bewegung mit der ihr eigenen Zeitordnung hindurch das Werk.
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Berichte und Diskussionen:

• Luca Di Blasi: Außerhalb des Logos. Die Expansion des seinsgeschichtlichen Antisemitismus
  Abstract

  Ausgangspunkt meines Aufsatzes ist die These, dass Heideggers »seinsgeschichtlicher Antisemitismus« (Peter Trawny) nicht auf die Moderne beschränkt blieb, sondern im Zuge einer rückwirkenden Expansion die gesamte Seinsgeschichte ergriff. Das führte (zweiter Schritt) zu einem paradox anmutenden »Metarassismus« sowie einem »seinsgeschichtlichen Dualismus«, bei dem die abendländische Seinsgeschichte von einer jüdischen Ungeschichte begleitet wird. In einem dritten Schritt wird der Übergang des seinsgeschichtlichen Dualismus in einen Antagonismus rekonstruiert. Dessen Höhepunkt in Gestalt einer Verteufelung des Judentums lässt auf Wurzeln im christlich-konservativen Milieu des jungen Heidegger schließen. Allerdings musste (vierter Schritt) Heidegger bereits 1920/ 21 auf die Unmöglichkeit einer Dämonisierung des Judentums auf urchristlichem Boden gestoßen sein und konnte eine solche erst nach seiner Abwendung vom Christentum entfalten.
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• Ferdinand Fellmann: Was bringt die »zoologische Wende« für die Ethik?
  Abstract

  Das von Tierethikern ausgegebene Motto »zoologische Wende« verspricht eine radikale Umkehr im Blick auf das Tierleben. So begrüßenswert die angestrebte Überwindung der anthropozentrischen Perspektive auch ist, unübersehbar bleibt die ideologische Schlagseite der Tierethik. Die moralische Gleichstellung von Mensch und Tier legt den Verdacht nahe, dass die Vorrangstellung des Menschen damit nur noch stärker hervorgehoben wird. Um die hier zu beobachtende Art von falschem Bewusstsein zu entzaubern, rekonstruiert der Artikel, wie im 19. Jahrhundert Ethik und Biologie sachlich und ungezwungen zueinander gefunden haben. Daran schließt sich die Frage an, welche Ethik heute zur Anthropologie passt. Meine Antwort lautet: eine konkrete Ethik der Lebenskunst, die der Gefühlsambivalenz im prekären Verhältnis von Mensch und Tier Rechnung trägt.
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Buchbesprechung:

• Stefan Deines: Glaube, Liebe, Action – Josef Früchtl führt vor, wie das Kino die Krisen der Moderne ästhetisch bewältigt (zu Josef Früchtl, Vertrauen in die Welt. Eine Philosophie des Films)Artikel kaufen