Das zweite Themenheft 2020 rückt den Begriff des Praktischen Wissens in den Mittelpunkt. In den begrifflichen Diskussionen stand lange Zeit Gilbert Ryles Unterscheidung zwischen den Wissensformen des »knowing how« und »knowing that« im Vordergrund. Erst in den letzten Jahren, im Zusammenhang mit einem neu erwachten Interesse an Elizabeth Anscombes Monographie ›Intention‹, wird die Bedeutung des praktischen Wissens als Wissen von Handelnden um ihre absichtlichen Handlungen für die Handlungstheorie wiedererkannt. Der Schwerpunkt »Praktisches Wissen« will vor diesem Hintergrund einerseits systematische Fragen aufgreifen, die sich aus den Diskussionen nach Ryle und Anscombe ergeben, nicht zuletzt um Verbindungslinien zwischen diesen beiden Konzepten zu reflektieren. Diese Debatte soll andererseits um Beiträge mit einem Fokus auf markante historische Positionen ergänzt werden.
Inhalt:
Schwerpunkt:
Jens Kertscher
Zusammenfassung Nach Anscombe ist praktisches Wissen notwendig für absichtliches Handeln. Im vorliegenden Beitrag wird dieser Zusammenhang vor dem Hintergrund einer anderen zentralen Einsicht Anscombes, der Beschreibungsabhängigkeit von Handlungen, rekonstruiert. So kann Anscombes Konzeption des praktischen Wissens als Antwort auf ein begriffliches Problem verstanden werden, nämlich wie ein und derselbe als absichtliche Handlung identifizierte Vorgang aus der erstpersonalen Perspektive eines Handelnden und der drittpersonalen Beobachterperspektive in unterschiedlicher Form gewusst werden kann. Dieses Problem wird zunächst herausgearbeitet, sodann wird Anscombes Lösung im Rahmen einer Interpretation der §§ 45–48 von ›Intention‹ erläutert. Im Kontrast mit Davidsons Position zum Problem der Handlungsbeschreibungen wird dabei insbesondere der Anspruch von Anscombes Lösung verdeutlicht, der gegen »cartesianische« Modellierungen des psychologischen Vokabulars, mit dem Handlungen erklärt werden, gerichtet ist.
Artikel kaufen Fabian Börchers
Zusammenfassung Gegen Ende ihres Buches Intention kommt Elizabeth Anscombe in einer kurzen Passage auf das Verständnis von »praktischem Wissen« als »Knowledge-How« zu sprechen. Ich diskutiere diese Passage im Kontext der vorangehenden Überlegungen in Intention und argumentiere, dass obgleich diese Passage zunächst wenig mit dem eigentlichen Thema des Buches und Anscombes eigenem Begriff des praktischen Wissens zu tun zu haben scheint, in ihr doch ein zentraler Gedanke verborgen ist: der Gedanke, dass praktisches Wissen nach Anscombe und Knowledge-How nach Ryle nur im wechselseitigen Bezug aufeinander verständlich sind. Oder allgemeiner: dass im Bereich des Handelns die metaphysischen Bestimmungen von Form und Vermögen nicht unabhängig voneinander zu greifen sind und ein vollständiges Verständnis des Phänomens des vernünftigen Handelns deswegen nicht allein auf einer der beiden Bestimmungen aufruhen kann.
Artikel kaufen Christian Kietzmann
Zusammenfassung G. E. M. Anscombe hat den Begriff des »praktischen Wissens« in die gegenwärtige Handlungstheorie eingeführt. Anscombe zufolge liegt in Fällen, in denen jemandem die Handlungsausführung misslingt, der Fehler in dem, was er tut, und nicht in dem, was er denkt. Sein Denken ist also nicht fehlerhaft, und damit trotz des Fehlers Wissen. Anscombe scheint aber ebenfalls zu glauben, dass Wissen faktiv ist, d.h. dass zu wissen, dass p, impliziert, dass p. Beide Behauptungen stehen jedoch in Spannung zueinander, da meinem Wissen aufgrund meines praktischen Fehlers keine Tatsache entspricht. Dieser Aufsatz adressiert das Problem, das sich aus dieser Spannung für unser Verständnis von praktischem Wissen ergibt. In § 1 beschreibe ich das Problem. In § 2 rekonstruiere ich Anscombes Antwort auf die Schwierigkeit und zeige Hinsichten auf, in denen sie problematisch ist. In § 3 diskutiere ich drei andere Versuche, mit der Schwierigkeit umzugehen, und argumentiere, dass sie sich ebenfalls in Probleme verstricken. In § 4 skizziere ich dann meinen eigenen Lösungsvorschlag.
Artikel kaufen Philipp Richter
Zusammenfassung In diesem Beitrag rekonstruiere ich Kants Konzeption von praktischer Vernunft als Antwort auf eine dem Raum der Gründe immanente Effektivitätsproblematik: Wie kann das Handeln frei (gleichsam kontingent) und zugleich als durch die Erkenntnis von praktischer Notwendigkeit gebunden gedacht werden? Als zentral für das Verfahren einer transzendentalen Erkenntnis der Präsuppositionen der praktischen Erkenntnis erweist sich bei Kant der Gesetzesbegriff. Der Ausgangspunkt der transzendentalen Argumentation liegt nicht bei gewöhnlichen »moralischen« Urteilen, sondern in der Willkürfreiheit. Die freie Willkür wird durch praktische Urteile aktualisiert, die als ein praktisches Wissen mit mehr oder weniger guten Gründen zu verstehen sind. Durch Interpretation des »Paradoxon der Methode einer Kritik der praktischen Vernunft« lässt sich ein indirektes Argument für eine gesetzliche Form praktischer Erkenntnis rekonstruieren. Handeln kann demnach nicht als Einzelereignis verstanden werden, das durch eine intelligente Ursache in eine an sich unvernünftige Welt kommt, vielmehr ist kein absichtliches Handeln ohne Bezugsmöglichkeit auf die Form des praktischen Wissens denkbar.
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Essay:
Tea Lobo
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