Johann Lorenz von Mosheim

lutherischer Theologe, Historiker,
* 9.10.1693 Lübeck,
† 9.9.1755 Göttingen.

M. besuchte 1707-10/11 das Catharineum in Lübeck und war anschließend Hauslehrer. 1716 begann er ein Studium »Sacrarum et elegantiorum litterarum« in Kiel. Bereits 1719 erhielt er dort einen entsprechenden Lehrauftrag. 1721 war er Professor designatus. Im Februar 1723 erhielt er einen Ruf als o. Professor für Kontroverstheologie an die Julius-Univ. Helmstedt, seit April 1725 war er dort Professor für Kirchengeschichte. 1726 wurde er zum braunschweig. Konsistorialrat ernannt. Im selben Jahr verpflichtete er sich schriftlich, keinen auswärtigen Ruf anzunehmen. Seit 1727 war er Abt der Klöster Mariental und Michelstein. Seit Februar 1729 wirkte M. auch als Generalschulinspektor im Hzgt. Braunschweig-Wolfenbüttel. 1732 wurde er Präsident der 1697 gegründeten »Deutschen Gesellschaft« (Societas Philoteutonico Poetica). Rufe an die Theol. Fakultäten in Wittenberg (1725) und Göttingen (1734) mußte er ablehnen, wirkte aber dennoch von Helmstedt aus an der Planung der Akademie der Wissenschaften in Göttingen und an dem Entwurf der Statuten der Theol. Fakultät mit. Seit 1739 war er Senior der Theol. Fakultät in Helmstedt. Von seiner Verpflichtung entbunden, konnte er im August 1747 eine Berufung an die Georg-August-Univ. Göttingen als Kanzler, Konsistorialrat und o. Professor an der Theol. Fakultät annehmen.

M. gilt als Begründer der sog. pragmatischen Kirchengeschichtsschreibung. In ihr wird der metaphysische Dualismus der Kirchengeschichtsschreibung, bei dem die Geschichte der Kirche von dem Kampf des Göttlichen mit dem Widergöttlichen her gedeutet wird, durch einen anthropologischen Ansatz überwunden. Die Kirche ist für M., analog zu der naturrechtlichen Auffassung vom Wesen des Staates, eine durch Vertrag gegründete, vereinsähnliche Gesellschaft, die durch eine verantwortliche Hierarchie und eigene Ordnungen (Gesetze) regiert wird. Ihre Geschichte wird durch menschliches Handeln bestimmt, die Erkenntnis der Geschichte führt daher zu einer vertieften Erkenntnis des Menschen. In der Methode bemühte M. sich um die Freiheit des Forschers von dogmatischen Vorgaben, um eine strenge Bindung der Forschung an die historischen Quellen, um eine bewußte Quellenkritik und um die Beschreibung der menschlichen Ursachen für geschichtliche Phänomene. Bei der Darstellung des kirchengeschichtlichen Stoffes bediente sich M. einer Gliederung in vier Epochen. Dabei ordnete er das Material einer inneren Geschichte der Kirche (Lehre, Ordnung, Kult, aber auch Ketzerei und Häresie) und einer äußeren Geschichte der Kirche (Ausbreitung des Christentums, Auseinandersetzung der Kirche mit anderen gesellschaftlichen Kräften und Organismen) zu und unterschied jeweils zwischen den »glücklichen« und den »widrigen« Schicksalen. Durch diesen Schematismus leidet die Schilderung der genetischen Entwicklung.

In der Homiletik gilt M. als bedeutendster Prediger seiner Zeit. Die von ihm entwickelte Zielsetzung, durch Aufklärung und Erweckung zu einer aus der Glaubensüberzeugung erwachsenden christlichen Ethik anzuleiten, ist bis in die Moderne verbindlich geblieben.

Werke von oder mit Johann Lorenz von Mosheim:


Umschlagfoto

Johann Lorenz von Mosheim: Die Macht der Lehre Jesu über die Macht des Todes

Annotiert und mit einem Nachwort sowie einem Beitrag über Mosheims Predigten herausgegeben von Johann Anselm Steiger.
DeP II,1
1998
135 S., 3 Abb.
Leinen
ISBN 978-3-7728-1870-7
Lieferbar
€ 58,–
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