Michael Albrecht

Im Laufe meines Studiums an der Freien Universität Berlin hatte ich die Gelegenheit, u. a. Weischedel, Theunissen, Fulda, Kanthack, Henrich, Szondi, Hinske, Feyerabend und Hübener – ich nenne sie in der Reihenfolge des ersten Kennenlernens – zu hören. Was mir damals wichtig zu sein schien, war das Nachdenken über die Resultate einer Entwicklung, die überall notwendigerweise zu einem leeren Ende zu führen schien; in der Musik z. B. zum Verstummen, im Drama Becketts zum Schweigen, in der Theologie zum Atheismus, in der Philosophie zum Nihilismus. Weischedels ›radikales Fragen‹ faszinierte mich, aber ich setzte mich auch mit dem Problem auseinander, wie hier das Fragen als solches sich selbst oft kurzerhand bestätigte und alles in die bloße Fraglichkeit eintauchte. Gerade Weischedels historische Vorlesungen, die genau und gerecht waren, nährten den Verdacht, daß es Unterschiede des Ranges und des Niveaus in den (wenngleich anzweifelbaren) Antworten gibt – und auch in den Fragen. Daß dieses Problem nicht gesehen wurde, schien mir daran zu liegen, daß das ›radikale Fragen‹ zur Frage nach seiner Herkunft und damit zu einer philosophischen Theologie führte; Müller-Lauters Kritik am absolutgesetzten »Vonwoher der Fraglichkeit« schien mir umso unabweisbarer, je mehr ich mich in meinem Zweifel an der Existenz eines (wie auch immer benannten) Gottes bestätigt empfand. Wenn aber die großen Sinn-Angebote nicht gerettet werden können, dann bleiben immerhin die Freuden der philosophiegeschichtlichen Forschung: Wie sehen z. B. die historischen Gottesbeweise aus? Hinske zeigte mir die Relevanz Kants für das eigene aktuelle Nachdenken, zwar um den Preis der historischen Arbeit am Text, aber auch dann lohnend, wenn man das Ergebnis der Interpretation nicht übernehmen kann. Kants moralischer Gottesbeweis schien mir nicht zwingend zu sein – wohl aber seine Moralphilosophie. Also doch eine Antwort; eine Antwort auf die Frage nach dem menschlichen Transzendenz-Bedürfnis, das sich in der Geschichte der Philosophie auf so vielfältige, immer wieder spannende Weise niederschlägt. So fand ich zur Philosophie.

Als Lektüre für Anfänger empfehle ich Platons Frühdialoge, Kants »Grundlegung« und die Vorrede zur zweiten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« sowie die bei Reclam übersetzten Texte von Nagel.

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