Allgemeine Zeitschrift für Philosophie: Wege der Philosophie ins 21. Jahrhundert

Abhandlungen:

• Günter Abel: Die Transformation der Wissensordnungen und die Herausforderungen der Philosophie
  Abstract

  Der Aufsatz entwickelt Grundlagen, Fragestellungen und Perspektiven einer zeitgemäßen systematischen Wissensforschung. Folgende Themen sind leitend: I. Wissen: 1.Begriffe und Formen des Wissens. 2. Probleme, Projekte und Perspektiven. (a) Information und Wissen. (b) Meinen, Glauben, Wissen. (c) Dynamiken von Wissen. II. Wissenschaft: 1. Was heißt ›Wissenschaft treiben‹? 2. Biotop als Sziento- und Technotop. 3. Einheit der Wissenschaften? 4. Disziplinarität, Interdisziplinarität, Transdisziplinarität. III. Wissensordnungen: 1. Wissensordnungen nach Menschenmaß. 2. Sitz der Wissensordnungen im Leben. 3. Transformation der Wissensordnungen. 4. Pragmatische und funktionale Wissensordnungen-auf- Zeit. IV. Wissensforschung.
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• Pirmin Stekeler-Weithofer: Zur Logik des ›Aber‹. Allgemeines Erfahrungswissen in besonderer Anwendung auf empirische Einzelfälle
  Abstract

  In der Unterscheidung zwischen den Kategorien der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit, die Hegel bekanntlich von Kant aufgreift,wird Letztere zumeist als Allquantifikation, nicht als begriffsbestimmendes System generischer Inferenznormen verstanden. Doch es geht eher um die Einsicht, dass das Begriffliche durch ein zugehöriges Allgemeinwissen bestimmt ist. Eine ›Logik des Aber‹ verlangt die Nennung besonderer Ausnahmen oder Abweichungen vom Normalfall und gehört zur dialektischen Form der Anwendung der Begriffe auf empirische Einzelfälle. Die Aporien des Nominalismus und Empirismus zeigen, wie wichtig ein entsprechendes Verständnis des erfahrungslogischen Status von sogenannten Universalien bzw. der aristotelischen Rede über ein substantielles Wesen (ousia) für ein begriffslogisch informiertes Verständnis weltbezogener Aussagen ist.
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• Michael Hampe: Die Theorieunabhängigkeit von Tatsachen und Wahrheiten. Zur Relevanz einer Philosophie des Gewöhnlichen
  Abstract

  Natürliche Sprachen in Analogie zu erklärenden Theorien zu sehen, wird als ein szientistisches Missverständnis gedeutet, das im gegenwärtigen semantischen Holismus verbreitet ist. Auch philosophische Texte allein als explanatorische Theorien zu verstehen, stellt ein Missverständnis dar, das philosophiehistorisch in die Irre führt und die Agenda für die Gegenwartsphilosophie unnötig verengt. Es wird dafür argumentiert, dass ein Unterschied zwischen wissenschaftlicher Gewissheit und alltäglicher Selbstverständlichkeit besteht und im Sinne von Tarski verschiedene Wahrheitsbegriffe für formale und natürliche Sprachen zu unterscheiden sind. Nur so kann Wahrheitssuche im Alltag und der Kunst verständlich werden. Die Absage an eine Engführung von explanatorischer Theorie und natürlicher Sprache führt, wie mit Dale Jacquette gezeigt wird, zu einer neuen Sicht der begrifflichen Form von Wahrnehmungen: Sie sind nur als Bestandteile wissenschaftlicher Erfahrung theoriegeladen, ansonsten durch andere Formen des gewöhnlichen Lebens strukturiert.
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• Georg W. Bertram: Was die Kunst der Philosophie zu denken gibt
  Abstract

  Der Aufsatz behandelt die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Kunst. Um dies zu realisieren, setzen die Überlegungen bei der Frage nach dem Erkenntnischarakter von Kunst an. In Auseinandersetzung mit den Positionen von Adorno und Goodman wird argumentiert, dass mit Kunst eine besondere Form von Verstehenspraktiken verbunden ist, die ich als »verstehende Auseinandersetzungen mit Kunstwerken« bezeichne. Diese besondere Form von Praktiken lässt sich aber nur begreiflich machen, wenn man Kunst als eine reflexive Erkenntnispraxis versteht. Sie ist ein Aspekt dessen, was uns als selbstbewusste Wesen ausmacht. Das hat Konsequenzen sowohl für das philosophische Verständnis der menschlichen Geistigkeit als auch für das Selbstverständnis von Philosophie als einer reflexiven Erkenntnispraxis.
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• Theo Kobusch: Apologie der Lebensform
  Abstract

  Der Artikel ist der Philosophie der Lebenskunst und der Frage nach der Einheitlichkeit ihrer Tradition gewidmet. Er stellt ein Plädoyer für das antik-mittelalterliche Verständnis der Lebenskunst da, das deren heutige Kritiker nicht hinreichend berücksichtigen, weil sie den Focus stärker auf die moderne Lebenskunstphilosophie richten. Die antike und mittelalterliche Form der Lebenspraxis betrifft nicht eine Ästhetisierung des Lebens, sondern versteht sich – ausgehend vom sokratischen Gedanken der Sorge um das Selbst – als sittliche Selbstformung des Subjekts, für die die Aufmerksamkeit eine besondere Rolle spielt. Diese Konzeption hat Konsequenzen für das Verständnis von Selbstfindung und Individualität. Dies wird abschließend an den Beispielen der Selbsttransformation der Seele bei Gregor von Nyssa sowie der Gelassenheit bei Meister Eckhart expliziert.
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• Petra Gehring: Leben und Macht: Naturalismus um 1900
  Abstract

  Der Begriff des Lebens wird in der Philosophie, den Naturwissenschaften, der Medizin und den sich formierenden Sozialwissenschaften um 1900 folgenreich neu bestimmt. Die Opposition von Natur und Kultur bzw. ›dem Sozialen‹ wird dabei unterlaufen. Mit der neuen Rolle des Lebensbegriffs verbindet sich eine Wende zu den Werten sowie zu einem emphatisch auf Handeln bzw. Macht abhebenden Pathos der Wirklichkeit. Der Artikel deutet diese diskursive Konstellation als Take-off-Phase für dasjenige Ineinander von Wissenschaften, Sozialpolitik und Ethik, das wir heute ›Lebenswissenschaften‹ nennen. Untersucht werden Wendungen von ›Leben‹ bei Georg Simmel, dem Mediziner und ›Nationalbiologen‹ Wilhelm Schallmayer, dem Biologen Ernst Haeckel und bei dem Gestalttheoretiker und Wertphilosophen Christian von Ehrenfels. Abschließende Thesen gelten der historischen wie der aktuellen lebenswissenschaftlichen Diskurslage.
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• Ralf Konersmann: Die kulturwissenschaftliche Herausforderung
  Abstract

  In der Phase ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert haben die Kulturwissenschaften eine Autonomie für sich in Anspruch genommen, die durch den systematischen Bezug auf die »Kultur-Wirklichkeit« (Cassirer) gesichert sein sollte. Mit diesem Bezug und der klaren Betonung des Kulturkonzepts stellen sie eine bleibende Herausforderung dar sowohl für heutige Kulturwissenschaftler, die aufgrund ihres sozialwissenschaftlich geprägten Bildungshintergrundes mit dem Kulturbegriff oft wenig anzufangen wissen, als auch für die Philosophie, die sich auf den Kontingenzraum der Kultur erst noch einstellen muß.
• Rolf Elberfeld: Globale Wege der Philosophie im 20. Jahrhundert. Die Weltkongresse für Philosophie 1900–2008.
  Abstract

  Darstellungen der Philosophie im 20. Jahrhundert sind in den meisten Fällen auf Europa und Nordamerika beschränkt. Moderne Entwicklungen in Asien, Südamerika und Afrika werden dabei kaum berücksichtigt. Anhand der Geschichte der »Internationalen Kongresse« bzw. der »Weltkongresse für Philosophie« von 1900 bis 2008 wird gezeigt, wie die Philosophie ein immer globaleres Gesicht erhält; dabei sind allerdings auch mitunter dominante Gegentendenzen zu verzeichnen. Rückblickend hat sich im 20. Jahrhundert die Globalisierung der Philosophie nachhaltig etabliert, wodurch heute mehr und mehr ein postkoloniales Philosophieren möglich wird, das auch eine neue Sicht auf die Geschichte des Denkens freigibt.