Editorial:
Marcelo da Veiga / Hartmut Traub : Was heißt eigentlich Steiner-Forschung? Annäherung an ihren Begriff, ihre Grundzüge und Themenfelder – Versuch einer Selbstvergewisserung
DOI:10.12857/STS.951000440-15
Zusammenfassung Die Absicht der Gründung der internationalen Online-Zeitschrift Steiner Studies war und ist es, einen an wissenschaftlichen Standards ausgerichteten Diskussionsraum für die Erforschung von Steiners Leben, Werk und Wirkung sowie den damit zusammenhängenden philosophischen, esoterischen, kultur- und ideengeschichtlichen Einflüssen und Kontexten zu eröffnen. Im Anschluss an die schon im ersten Editorial der Zeitschrift formulierte allgemeine Zielsetzung und deren Prinzipien der akademischen Qualität, Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit unternehmen die folgenden Überlegungen den Versuch, sowohl die Grundzüge und den Begriff der Steiner-Forschung näher zu bestimmen als auch mögliche Forschungsfelder für ein solches Unternehmen aufzuzeigen. Schlagwörter: Themenfelder, Methoden, Quellen, Kontexte, Transformationen‚ Steiner-Forschung‘
Open Access
Aufsätze:
Hartmut Traub : Hellsehen. Entwicklungsgeschichte und Systematik eines problematischen Theorems bei Rudolf Steiner Versuch einer ersten Annäherung
DOI: 10.12857/STS.951000440-14
Zusammenfassung Das Hellsehen gehört zu den zentralen Kategorien der Esoterik. Auch Rudolf Steiners philosophisch-anthroposophische Weltanschauung und Erkenntnistheorie bedienen sich dieses Modells ›höherer Erkenntnis‹. Allerdings lässt sich seine Konzeption des Hellsehens nur bedingt, wenn überhaupt, im Rekurs auf das verstehen, was er das ›alte‹ oder ›natürliche Hellsehen‹ nennt. Seine Konzeption des ›neuen Hellsehens‹ unterscheidet sich fundamental von dem, was in klassischen Texten und Berichten über Phänomene des Hellsehens überliefert ist. Der Beitrag entwickelt Steiners spezifisches Modell des Hellsehens in drei Hinsichten. Erstens werden die konstitutiven Elemente von Steiners Konzeption des modernen, das heißt durchdachten Hellsehens vom philosophischen Theorem der ›moralischen Phantasie‹, über das ›Kopf-, Herz- und Bauch-Hellsehen‹ bis zum christologischen Grundmotiv des ›Mysteriums von Golgatha‹ in ihrer werkgeschichtlichen Entwicklung rekonstruiert. Zweitens wird anhand ausgewählter literarischer Beispiele und Ergebnisse moderner Intelligenzforschung der Versuch unternommen, Steiners multiperspektivische Idee des Hellsehens ideengeschichtlich zu kontextualisieren. Um dadurch, Drittens, konstruktiv die Frage aufzuwerfen, ob und inwiefern Steiners komplexe Ideen zum neuen Hellsehen Anregungen bieten, um über die Chancen und Grenzen eines erweiterten – multiperspektivischen – Modells menschlichen Erkennens und Erlebens nachzudenken.
Open Access
Leonhard Weiss : Steiners Hypothese ›Ich-Sinn‹. Ein Beitrag zu einer heuristischen Lesart der waldorfpädagogischen Anthropologie‹
DOI: 10.12857/STS.951000440-16
Zusammenfassung Im aktuellen Diskurs zur Pädagogischen Anthropologie werden waldorfpädagogische Konzepte und Ansätze bisher kaum beachtet. Dies, obwohl viele Themen dieses Diskurses auch im Kontext der Waldorfpädagogik behandelt werden. Doch aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive erscheint die Waldorfpädagogik noch immer als Ausdruck eines feststehenden weltanschaulich geprägten Menschenbildes. Eine diskursfähige Alternative zu diesem Verständnis der Waldorfpädagogik hat Christian Rittelmeyers Vorschlag einer ›heuristischen‹ Lesart der waldorfpädagogischen Anthropologie eröffnet. Im vorliegenden Beitrag wird dieser Vorschlag aufgenommen und am Beispiel von Rudolf Steiners Behandlung des ›Ich-Sinnes‹ exemplarisch skizziert, welche diskursfähigen konzeptionellen und pädagogischen Konsequenzen ein spezielles Element der Anthropologie Rudolf Steiners haben kann. Steiners Hypothese ›Ich-Sinn‹ wird dabei als möglicher Beitrag zu einer anerkennungstheoretischen Bildungstheorie verstanden.
Open Access
Josefin Winther : Vom Bekenntnis zur Selbsterkenntnis. Singen als Verbindung zwischen religiöser Erfahrung, künstlerischem Handeln und Selbsterkenntnis
DOI: 10.12857/STS.951000440-17
Zusammenfassung Die Rolle der Religiosität hat sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend in Richtung Individualisierung verändert und das Bedürfnis und die Suche des Individuums nach existenziellem Sinn haben an sachhaltiger Unterstützung verloren. Gesellschaftliche und religiöse Entwicklungen haben zur Ausbildung eines isolierteren Selbst geführt, einem Selbst, das im Hinblick auf seine kulturell tradierte Umwelt als nur noch bedingt eingebettet bzw. als unverbunden beschrieben werden kann. Als Reaktion auf diese Abkopplung entstehen neue Wege in Gestalt privatisierter Religionsausübung. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung geht der vorliegende Artikel der Frage nach, ob und wie das Singen durch die Kultivierung der körperlichen, sozialen und spirituellen Dimensionen, die ihm immanent sind, sowohl eine tiefere Selbsterkenntnis als auch die Wiederherstellung eines sozialen und spirituellen Gemeinschaftssinns befördern oder ermöglichen kann. Des Weiteren soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass aktuelle musikphilosophische Perspektiven diese Möglichkeiten nur unzureichend thematisieren, weil sie das Potenzial, das die Musik und insbesondere das Singen im Hinblick auf Religiosität und gemeinschaftsbezogene Selbsterkenntnis hat, nicht angemessen berücksichtigen. Für die Lösung dieses Problem können die erkenntnistheoretischen Überlegungen Rudolf Steiners hilfreich sein, weil sie einen Ansatz zur Erschließung des spirituellen Potenzials des Gesangs bieten. Im Ausgang von Steiners Überlegungen, die im Wesentlichen darin bestehen, dass Selbsterkenntnis eine Art ›Gemeinschaft mit sich selbst im Anderssein‹ bedeutet, scheint dann eine Neuformulierung dessen möglich, was Religiosität heute bedeuten kann, insbesondere wenn hierzu die Erfahrung des entwurzelten oder ›disembedded‹ Selbst im Sinne von Charles Taylor zum Ausgangspunkt genommen wird. Diese Perspektive erweist sich als besonders produktiv, wenn es darum geht, sowohl die Möglichkeiten der Selbsterkenntnis, die das Singen bietet, als auch die Chancen, die die Aktivität des Singens für die Entwicklung einer identitäts- wie gemeinschaftsbezogenen modernen Religiosität eröffnet, umfänglich zu erfassen.
Open Access