Johann Valentin Andreae

A. studierte in Tübingen, wurde 1603 Baccalaureus, 1605 Magister, verließ 1607 die Universität eines Exzesses wegen; ein Wanderleben führend kam er nach Straßburg, in die Schweiz, wo ihn die calvinistische Kirchenverfassung und Kirchenzucht in Genf beeindruckten, nach Frankreich, Österreich und Italien. 1614 wurde er Diakon in Vaihingen, 1620 Superintendent in Calw, 1634 verlor er bei der Plünderung der Stadt durch Johann von Werth Haus und Bibliothek, 1639 wurde er Hofprediger und Konsistorialrat in Stuttgart, 1641 Dr. theol., 1650 Generalsuperintendent und Abt von Bebenhausen, 1654 Abt von Adelberg. 1646 wurde er unter dem Namen »der Mürbe« in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.

A. war eine unruhige Natur, die über das Wissen zum Leben drängte und die eigenen Erkenntnisse stets pädagogisch auszubauen strebte. Im Sinne Johann Arndts trat er für ein verinnerlichtes praktisches Christentum ein und suchte es im Rahmen eines wahrhaft christlichen Gesellschaftsverbandes zu verwirklichen. Das Ideal, das ihm in Erinnerung an die französische und vor allem die Genfer Kirchenzucht vorschwebte, war ein evangelischer christlicher Musterstaat, den er in der Arndt gewidmeten »Rei publicae Christianopolitanae descriptio« (Straßburg 1619) und in »Christenburg, Das ist: Ein schön geistlich Gedicht« (Freiburg 1626) nach dem Vorbild von Thomas Campanellas Sonnenstaat beschrieb. Die Gemeinschaff der Gesinnung, die hier vorausgesetzt ist, sollte in Bünden herangezogen werden. A., der in dem z. T. selbstbiographischen Faustdrama »Turbo« seine dichterische Ader zeigte, hatte diesem Gedanken wohl schon seit 1602 eine phantastische Einkleidung in der Gestalt des Christian Rosenkreutz, Gründers einer Bruderschaft zur Wiederherstellung des urchristlichen Ideals in Kirche und Gesellschaft im 14. Jahrhundert gegeben. Hinter Christian Rosenkreutz verbirgt sich wohl A. selbst, dessen Wappen ein Andreaskreuz, umgeben von vier Rosen, zeigt. Von den phantastischen Mißverständnissen, zu denen diese Mystifikation führte, rückte er selbst ab, indem er sie auf ihren Kern, den Aufruf zur Verwirklichung einer »fraternitas Christi« (1617), einer »Christiana societas« (1620) zur Pflege der Religion, Hebung der Sitten und Wiederherstellung der Liturgie zurückführte. Das Ideal einer christlichen Gesellschaft wird auch sonst in erbaulichen und satirischen Schriften der Zeit vorgehalten. Die Versuche zur Herstellung der Kirchenzucht stießen auf den Widerstand der weltlichen Verwaltung (Apap proditus, 1631); die württembergische Kirchenordnung, die sog. Cynosura, ging auf ihn zurück.

Werke von oder mit Johann Valentin Andreae:


edition

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Johann Valentin Andreae: Gesammelte Schriften

In cooperation with other scholars edited by Frank Böhling, Bernd Roling and Wilhelm Schmidt-Biggemann.
1994ff
Cloth-bound
ISBN 978-3-7728-1426-6
© frommann-holzboog Verlag e.K. 2024