Jahrbuch der Psychoanalyse: Band 49

Klinische Praxis:

• Hermann Beland: Leidenschaftliches Zuhören gegen unbewußte Gewalt. Die Erfolge der Psychoanalyse
  Abstract

  Ausgehend von der gleichschwebenden Aufmerksamkeit als Forschungsmethode (»Leidenschaftliches Zuhören«) werden die therapeutischen Erfolge der Psychoanalyse von ihrem gewaltfreien Verstehen abgeleitet. Die Erfolge werden gewonnen gegen die unbewusste Gewalt der Abwehrprozesse, die wiederum verstanden werden als Reaktion auf »Unaushaltbarkeit« (Freud) von kritischer Intensität. Zwei Fallberichte erläutern die Gegenübertragungsverwicklung des Analytikers als Toleranz für »Nichtwissen«, die Vorbedingung für Verstehen und Deutung. Die Gefahr kollektiver unbewusster Gewalt (»wissenschaftliche« Vorurteilsbildung) sowie die Gefahr kollektiver Projektionen psychoanalytischer Gruppen auf die Gesellschaft wird anhand einer Ballade von Günter Grass (Die schwarze Wolke) beschrieben.
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• Janine Chasseguet-Smirgel: Trauma und Glauben
  
  Abstract

  Die Autorin erwägt verschiedene Formen der Verleugnung der Erfahrung des Konzentrationslagers und gibt das Beispiel von zwei Sitzungen eines Patienten, der im Alter von zwölf Jahren deportiert worden war. Dieser Patient unterstrich seine Erzählung mit dem Satz: »Sie glauben mir nicht.« Dieser Satz wurde mehrere Male als Projektion der Verleugnung des Patienten analysiert; die Deutung hatte jedoch erst eine Wirkung, als die Analytikerin »Drittmaterial« einführte: die Erzählung eines von Primo Levi zitierten Traumes, welcher die gleiche Verleugnung und Spaltung enthielt, die der Patient ausgedrückt hatte. Dieses behandlungstechnische Vorgehen wird kommentiert und die Wirkungen auf die Erinnerung der Verleugnungs- und Spaltungsmechanismen werden erwähnt.
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• Sigrid Weidlich: Der unbewußte Zustand des Analytikers, nachdem der Patient die Tür nach der letzten Stunde geschlossen hat
  Abstract

  Es wird die psychotherapeutische Behandlung einer Patientin dargestellt, die nach 100 Stunden beendet wurde. Ein im Säuglingsalter der Patientin erlebtes Trauma erwies sich psychodynamisch von zentraler Bedeutung für die Strukturbildung ihrer Persönlichkeit. Ein spezielles Gegenübertragungsgefühl der Therapeutin, nachdem die Patientin die Tür nach der letzten Sitzung geschlossen hatte, war der Anlaß, diesen Behandlungsverlauf nachzuzeichnen. Die Analyse des Auftaktes, des Verlaufs und des Abschlusses macht den permanenten Kampf zwischen der libidinösen Besetzung und der zerstörerischen Attacke auf das Objekt deutlich. Die latent mörderische Qualität des traumatischen Geschehens und des Behandlungsverlaufs wurde für die Analytikerin erst im Augenblick der überlebten Trennung faßbar.
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Karl-Abraham-Vorlesung:

• Ilse Grubrich-Simitis: Die ausgeblendeten Hörner. Zu Freuds Essay über den Moses des Michelangelo
  Abstract

  Sigmund Freuds Essay über den Moses des Michelangelo ist ein quasi-autobiographischer Text. In den Jahren 1912 bis 1914, seiner Entstehungszeit und zugleich der Phase der Auseinandersetzung mit C.G. Jung, war Freud von der Skulptur regelrecht besessen gewesen. Im Gegensatz zum Bibelwortlaut zeige Michelangelo, so Freuds projektive Deutung, einen Moses, der sich beim Anblick seines um das Goldene Kalb tanzenden Volkes nicht im Zorn dazu hinreißen lasse, die Gesetzestafeln zu zerschmettern. Diese Deutung ist irrig – Freud hatte wichtige, sie widerlegende Details, insbesondere die Hörner auf Moses’ Haupt, ausgeblendet –, aber in ihr schuf er sich in einer persönlichen Krise ein personalisiertes Ichideal der Selbstbeherrschung. Laut einer neueren und stimmigeren kunsthistorischen Deutung zeigt Michelangelo den Moses in einer späteren Lebensphase, nach einer Unterredung mit Gott, in deren Verlauf ihm sein bevorstehendes Ende verkündet wird. So gesehen, wurzelt die unvergängliche Wirkung der Statue in der meisterlichen Darstellung des Schreckens angesichts von Gebrechlichkeit und Sterblichkeit des Menschen wie auch der schließlichen Zähmung dieses Schreckens. Zwischen beiden Deutungen gibt es Berührungspunkte.
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Wolfgang-Loch-Vorlesung:

• Jacqueline Amati Mehler: Der psycho-sensorische Bereich in Neurose und Psychose
  Abstract

  Mit dem Titel zitiert die Autorin einen Begriff Gaddinis, mit dem er, wie sie später im Text ausführt, einen frühen Bereich beginnender Mentalisierung bezeichnet, der sich erst allmählich aus einer somatischen und biologischen Matrix heraus differenziert. In der gedanklichen Tradition Lochs versucht die Autorin einen Brückenschlag zwischen Freudschen Formulierungen und modernen Konzepten, die den Gebrauch der Gegenübertragung und ein vertieftes Verständnis frühester seelischer Strukturen in den Mittelpunkt gerückt haben. Neben Loch und Gaddini diskutiert die Autorin zunächst auch weitere theoretische Beiträge und knüpft daran ihre These, daß die Erkenntnisse der letzten Dekaden den Spielraum psychoanalytischen Handelns über den Rahmen der klassischen Theorie, nicht notwendigerweise über den des üblichen klassischen Settings und der Methode hinaus erweitert haben. Das Interesse der Autorin gilt der Analysierbarkeit jenes Bereichs innerhalb einer lebenslang komplexen Ichstruktur, der in manchen Entwicklungsverläufen hoch differenzierte Strukturanteile überwältigt. Sie veranschaulicht ihre theoretischen Überlegungen anhand zweier fünfstündig geführter Analysen, eine mit einem psychotischen, die andere mit einem neurotischen Patienten.
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Geschichte:

• Ernst Falzeder: Beruf: Psychoanalytiker. Über die Anfänge eines Berufsstandes
  Abstract

  Der Beitrag handelt von den Anfängen der Psychoanalyse als psychotherapeutischer Methode und als Berufsstand und umfaßt den Zeitraum zwischen den 1890er Jahren und der Gründung des ersten Ausbildungsinstituts (1920). Diese Periode wird grob in sechs Phasen unterteilt: (1) Die beiden ersten Schüler Freuds. (2) Freuds Demonstration seiner Methode an einigen Kollegen. (3) Die Gründung eines privaten Diskussionszirkels. (4) Der Aufstieg des Burghölzlis in Zürich zum wichtigsten Ausbildungs- und Rekrutierungszentrum. (5) Die persönliche Analyse einiger Psychoanalytiker. (6) Die Gründung des Berliner Instituts und die Einführung der bis heute praktizierten Form der Ausbildung. In einem Exkurs werden die Anfänge der Supervision behandelt.
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Freud als Briefschreiber:

• Gerhard Fichtner: »... für den sein Elend genießenden Dulder«. Ein Brief Freuds an Paul Federn aus dem Jahre 1929. Artikel kaufen