Jahrbuch der Psychoanalyse: Band 50: Trauma. Neue Entwicklungen in der Psychoanalyse

Editorial

Vorveröffentlichte Arbeiten zum 44. Kongress der IPV zum Thema »Trauma. Neue Entwicklungen in der Psychoanalyse« in Rio 2005:

• Thierry Bokanowski: Variationen über den Begriff ›Trauma‹
  Abstract

  Der Autor rekapituliert zunächst Freuds wichtigste Äußerungen zum Begriff Trauma und trifft dann eine Unterscheidung zwischen zwei Spielarten des Traumas (traumatisme,* trauma) und dem Traumatischen (traumatique), wobei die drei Traumabegriffe – in der Reihenfolge traumatisme, *traumatique, trauma – den drei »Wendepunkten« der Freudschen Traumatheorie (1895-1897, 1920 und 1938) entsprechen. Unter Rückgriff auf die theoretischen Beiträge, die Ferenczi in den letzten Jahren seiner Arbeit (1928-1933) zur Erkenntnis der zweiten Spielart des Traumas in der heutigen klinischen Praxis geleistet hat, betrachtet der Autor die einzelnen Begriffsvarianten nach der Seite des psychischen Ablaufs. Dabei spezifiziert er, worin sich metapsychologisch das in den Sekundärvorgang übernommene Trauma (traumatisme), das unter der Vorherrschaft des Lust-Unlust-Prinzips steht, von jenem frühen und primären Trauma (trauma) unterscheidet, das die Prozesse der Triebbindung torpediert, und stellt den traumatisch geprägten Funktionsmechanismus (le traumatique) als das gemeinsame Merkmal beider Varianten des fortgeschrittenen Traumas vor. Zur Veranschaulichung seiner Thesen greift der Autor auf ein klinisches Beispiel zurück.
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• Raul Hartke: Die basale traumatische Situation in der therapeutischen Beziehung
  Abstract

  Der Autor versucht, einen Begriff des psychischen Traumas zu entwickeln, der den Kern dieses Freudschen Begriffs respektiert – d.h. ein Übermaß an Erregungen, die der psychische Apparat nicht verarbeiten kann – , der aber auch die Funktionen und die zentrale Rolle der Objekte in der Konstituierung der Psyche und in den traumatischen Verhältnissen berücksichtigt, ebenso auch die methodologische Einstellung, der zufolge die analytische Beziehung der einzig mögliche Ort der Beobachtung, des Schlußfolgerns und des Eingreifens des Psychoanalytikers ist. Der Autor hält diejenige Situation für basal- oder minimaltraumatisch, in der Größe oder Qualität der Emotionen die Fähigkeit der analytischen Zweierbeziehung, damit fertig zu werden, übersteigt, so weitgehend, daß eine Zeitspanne oder ein Bereich der Geistesabwesenheit (Dementalisierung) in der Psyche von einem der beiden oder von beiden Teilnehmenden erzeugt wird, was eine darauf bezogene analytische Arbeit notwendig macht und das Erreichen einer nennenswerten positiven oder negativen Veränderung der Beziehung. Im Anschluß an Bions Theorie der Alpha-Funktion und an die metapsychologischen Auffassungen von Freud und Green bezüglich der psychischen Vorstellungen, führt der Autor zwei Theorieformulierungen ein, die sich auf diese traumatische Situation beziehen, wobei er sich des von Bion vorgeschlagenen Modells des »veränderten Fokus« bedient. Drei klinische Beispiele dienen als Illustration für sein Konzept und die wesentlichen theoretischen Formulierungen.
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• James M. Herzog: Los Degredados. »Draußen, drunten, tot.« Aus der Analyse eines sechsjährigen Mädchens mit transgenerational übermittelten und aktuell zugefügten Traumen
  Abstract

  In dieser Fallgeschichte wird durch die Analyse eines frühreifen kleinen Mädchens gezeigt, wie ein historisches Trauma übermittelt und ein intrafamiliäres Trauma verborgen, aber auch dargestellt wird. Während sich das Spiel entwickelt, wird deutlich, womit sich das Kind auseinandersetzt und gleichzeitig, wie es nachdrücklich zu verbergen versucht, was sich tatsächlich ereignet hat. Der Analytiker und das Kind nehmen gemeinsam an einem Spiel teil, bei dem Verschiebung, Enactment und interaktives Enactment eingesetzt werden, wobei letzteres geradezu ein Kennzeichen für eine tiefreichende traumatische Erfahrung ist. Während die Interaktion zwischen den beiden Beteiligten an den immer tieferen Pentimenti der traumatischen Erfahrung des Kindes festhält und sich von ihnen löst, hilft das Kind Carlotta dem Analytiker, ihrer Suche nach der Bedeutung dieser Erfahrung zu folgen, die aufgedeckt und rekonstruiert werden muß, damit sie ihre eigene progressive Entwicklung wieder aufnehmen kann. Die Analyse bewirkt, daß Carlottas Fähigkeit zu spielen nicht mehr so eingeschränkt ist und hilft auch ihrer Familie, besser zurechtzukommen.
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• Marcelo N. Viñar: Folter als Trauma. Das wüste Land der Seele, wenn die Sprache verstummt
  Abstract

  Der Autor behandelt das Thema der Folter – spezifiziert als Ausdruck von politischer Gewalt und als Machtausübung totalitärer Staaten – im historischen Rahmen des psychoanalytischen Traumakonzepts. Innerpsychische und transpersonale Aspekte des Erlittenen bilden ein komplexes und singuläres Muster, da Psyche und soziale Bindungen gleichsam betroffen sind. Die Kategorisierung als »Opfer« verwirft der Autor als stigmatisierend und unzutreffend. Es geht nicht in erster Linie darum, Folgeerscheinungen und Defekte der Betroffenen auszumachen, sondern um die Integration ihrer Erfahrungen und Berichte in einen Lebensplan. Jenseits einer individuellen Psychopathologie weisen die Überlegungen – im Sinne der Freudschen Massenpsychologie und Ich-Analyse – auf Suggestion und Hypnose als Phänomene alltäglicher Gruppensituationen hin, die unter krisenhaften sozialen Bedingungen gefährlich werden.
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Beiträge zum Jubiläumsband 50:

• Paul Parin: Beitrag eines Beirats zum Jubiläumsband
• Horst-Eberhard Richter: Geleitwort
• Friedrich-Wilhelm Eickhoff: Gedanken zum Erscheinen des Bandes 50 des ›Jahrbuchs der Psychoanalyse‹

Klinik der Psychoanalyse:

• David Rosenfeld: Der 11. September: Militärdiktatur und psychotische Episode
  Abstract

  Der Autor diskutiert die Herausforderung, der ein praktizierender Psychoanalytiker bei der Behandlung eines Patienten begegnete, der grauenvolle Erfahrungen während seiner Kindheit und Adoleszenz durchlebte. Der Autor beschreibt die klinische Geschichte eines jungen Menschen im Alter von 23 Jahren, der sich in seine Behandlung begab, nachdem er das Krankenhaus nach einer psychotischen Episode verlassen hatte. Als er 18 Monate alt war, wurden seine Eltern aus ihrem Haus durch Militärs entführt, und das Kind wurde Nachbarn zur Obhut überlassen. Die Eltern wurden dann durch die Militärs an geheime Stellen gebracht, an denen sie inhaftiert und gefoltert wurden. Seine Kindheits- und Familiengeschichte wurde in einer verwirrten und ungeordneten Weise erzählt und manchmal in der Sitzung ohne Worte agierend dargestellt. Der Autor beschreibt zwei theoretische Modelle, zum einen die »autistische Einkapselung«, die gesunde, infantile Aspekte der Seele bewahrt und ein zweites, wo schwere, massive Traumata die Introjektionen zum Verschwinden bringen können. In diesem Aufsatz können aus Platzgründen lediglich einige der vielen methodologischen Probleme und theoretischen Modelle klinisch diskutiert und illustriert werden. Der Autor bezieht sich auf eine historische Begebenheit am 11. September 1973, dem Tag des Staatsstreiches, als Pinochet den Angriff und die Luftbombardierung auf den Präsidentenpalast befahl, der dem freigewählten Präsidenten Salvador Allende und seinen Kabinettsmitgliedern das Leben kostete. Das ist eine andere Geschichte.

Angewandte Psychoanalyse:

• Rolf Klüwer: M. C. Escher – Spielen mit Bildern und Gedanken. Psychoanalytische Assoziationen zu einem dimensionalen Modell der inneren Realität
  Abstract

  Der holländische Graphiker M. C. Escher, den wir als Schöpfer vieler eindruckvoller Bilder kennen, war sich selbst nicht klar darüber, ob er sich eher den Künstlern oder den Entdeckern zurechnen sollte. Obwohl er weltweit bekannt wurde, fand er denn auch bei Naturwissenschaftlern wie Mathematikern und Physikern mehr Anerkennung als bei seinen künstlerischen Fachgenossen. Sie konnten mit seinen Bildern gewissermaßen mehr anfangen, weil er in seinen Darstellungen Zusammenhänge zur Anschauung brachte, welche die Naturwissenschaftler zuvor noch nie gesehen hatten. Der Autor versucht in seinem Beitrag, einige Bilder Eschers mit der inneren Realität in Beziehung zu bringen, wie sie die Psychoanalyse konzipiert hat. Dabei wird Eschers zentrales Interesse an der Struktur von Fläche und Raum sowie deren Beziehung zueinander auf die psychische Welt übertragen. Es wird zu zeigen versucht, wie wir die in seinen Bildern zur Darstellung kommenden Entdeckungen in der psychischen Welt wiederfinden. Auf diese Weise können mit Eschers Hilfe Zusammenhänge sichtbar gemacht werden, die uns bekannt sind und doch zugleich neuartig erscheinen.
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Buchessay:

• Lydia Marinelli: Psychoanalyse im Pelz Artikel kaufen

Freud als Briefschreiber:

• Gerhard Fichtner: »Aus Dalles Weißbrod«. Ein Brief Freuds an Margaret Stonborough-Wittgenstein aus dem Jahre 1939 Artikel kaufen

Gesamtübersicht der Bände 1-50 und der Beihefte 1-20